Labyrinth als Symbol für den herausfordernden Weg aus der Paruresis

Tipps & Tricks bei Paruresis: Wie du die nächste Situation besser überstehst

WeMingo-Gründer Johannes

Ich bin Johannes und kenne Paruresis aus eigener Erfahrung. Ich betreibe das Forum auf paruresis.de und unterstütze andere Betroffene mit meinem Selbsthilfeprogramm.

Mit der kognitiven Verhaltenstherapie gibt es eine bewährte Behandlungsmethode, um deine Angst auf öffentlichen Toiletten zu überwinden. Allerdings braucht es Zeit, diesen Prozess zu durchlaufen. Es ist daher verständlich, dass ich häufig nach Tipps und Tricks gefragt werde. Gibt es nichts, was mir auch kurzfristig hilft?

Ich persönlich sehe leider keine Abkürzung, mit der du die Auseinandersetzung und Konfrontation mit deinen Ängsten umgehen kannst. Ich glaube aber, dass es gibt Möglichkeiten gibt, mit denen sich schwierige Toilettensituationen in der Zwischenzeit besser managen lassen. In diesem Artikel möchte ich drei Ansätze mit dir teilen.

Tipp 1: Die Kabinen nutzen

Dieser erste Tipp richtet sich leider nur an Männer. Zwar suchen Männer häufiger Hilfe bei Paruresis, doch das Problem betrifft auch Frauen. Auch wenn meine Artikel durch meine eigenen Erfahrungen geprägt sind, versuche ich sonst, den Input vieler weiblicher Betroffener zu berücksichtigen.

Mein erster Rat ist leider nicht für alle relevant, aber er betrifft eine große Gruppe von Betroffenen. Er richtet sich an Männer, die vor allem am Urinal Schwierigkeiten haben. Das war auch meine Situation: Während es in der Kabine immer klappte, war ich an Urinalen meist zu angespannt, um pinkeln zu können.

Ich habe mich daher wie viele andere Betroffene sehr eingeschränkt. Dabei hätte ich doch eigentlich immer die Kabine nutzen können. Warum habe ich mich also gestresst und Toilettengänge vermieden, indem ich weniger getrunken und eine volle Blase ausgehalten habe?

Wie so viele andere hatte ich die Erwartung, dass ich als Mann beim „kleinen Geschäft” ein Urinal nutzen muss. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass andere merken, dass ich immer auf die Kabine gehe. Ich habe lieber die Einschränkungen in Kauf genommen als von anderen – so meine Vorstellung – als komisch wahrgenommen zu werden.

Aus meiner heutigen Sicht eine absurde Abwägung.

Urinale – gerade die ohne Trennwände – bieten einfach sehr wenig Privatsphäre. Es ist völlig ok, wenn ihr zum Pinkeln ein bisschen mehr Raum und Abstand braucht.

Ich möchte daher alle in dieser Situation ermutigen: Macht euch frei von diesen Urinal-Ansprüchen!

Ihr werdet sicherlich zustimmen, dass es keine Grundlage dafür gibt, dass ihr als „echte Männer” das Urinal nutzen müsst. Und es gibt auch kein Gesetz, das beschreibt, dass ihr ein Urinal nutzen müsst, wenn einmal alle Kabinen belegt sind.

Aus eigener Erfahrung kann ich euch sagen, dass es andere gar nicht interessiert, ob ihr das Urinal oder die Kabine ansteuert. Selbst wenn es jemand tun sollte und selbst wenn diese Person dann einen Spruch machen sollte, könnt ihr damit umgehen. Ein „Ja, ich finde Kabinen einfach entspannter” und das Leben geht weiter.

Ich empfehle euch, euch in jedem Fall mit eurer Angst auseinanderzusetzen. Aber wenn euch Kabinen das Leben einfacher machen können, dann nutzt sie.

Tipp 2: Anderen von dem Problem erzählen

Meiner Erfahrung nach ist es uns besonders wichtig, unsere Pinkel-Hemmungen vor Freunden und Bekannten zu verheimlichen.

Darin liegt auch eine Chance. Mit Personen, die wir kennen, können wir reden. Wenn wir ihnen von der Paruresis erzählen, entfällt der Druck das Geheimnis zu bewahren.

Hey, ich will mal kurz was loswerden. Es ist vielleicht ein etwas komisches Thema. Es gibt da etwas, was mir schwerfällt...

Dieses Gespräch zu beginnen ist natürlich leichter gesagt als getan. Es ist ein ziemlich intimes Thema und es ist nicht einfach, sich verletzlich zu zeigen.

Vielleicht hilft es daher, sich einmal in dein Gegenüber hineinzuversetzen. Wie würdest du reagieren, wenn dir jemand von einer vermeintlichen Schwäche erzählt? Ich bin mir sicher, du würdest Verständnis zeigen und Hilfe anbieten. Und du würdest dich wahrscheinlich wertgeschätzt fühlen, weil dir jemand so viel Vertrauen entgegenbringt.

Zwei Freunde blicken aufs Meer

Beim Nachdenken über das Outing musste ich an eine gemeinsame Autofahrt mit Freunden denken. Die kann mit Paruresis extrem stressig sein. Während der Fahrt überlegst du hin und her, wie schlimm die Rasthof-Toilette wohl aussieht und ob du es nicht doch bis zur übernächsten Pause aushältst. Am Rastplatz angekommen, machen sich dann gleich alle Mitfahrer auf den Weg Richtung Toilette und es gibt nur ein kurzes Zeitfenster, um dich zu erleichtern.

Wie viel einfacher wäre es da, wenn deine Mitfahrer informiert wären! Dann könntest du – vielleicht sogar mit einem Augenzwinkern – sagen: „Geht ihr mal vor. Ihr wisst ja, ich geh lieber alleine und brauch vielleicht etwas länger.“

So hast du nichts zu verbergen und nimmst dir viel mentalen Druck beim Toilettengang.

Ich glaube außerdem, dass das Outing echte therapeutische Wirkung hat. Unabhängig von den praktischen Vorteilen wie bei der gemeinsamen Autofahrt kannst du im Gespräch mit anderen auch erfahren, dass deine Ängste überzogen sind. Wir haben typischerweise große Angst davor, dass jemand unsere Probleme auf öffentlichen Toiletten bemerken könnte. Wenn das Gegenüber dann verständnisvoll auf unser Outing reagiert (und das war bei mir immer der Fall!), merken wir: Unser Problem ist nicht so peinlich und lächerlich, wie wir denken. Es ist nicht schlimm, wenn jemand davon weiß.

Tipp 3: Einfach losgehen

Für das nächste Event möchte ich dir eine Abmachung mit dir selbst vorschlagen: In dem Moment, in dem du an die Toilette denkst, musst du losgehen. Selbst wenn du noch gar nicht so dringend musst. Sobald der Gedanke da ist, machst du dich auf den Weg zur Toilette.

Wenn wir an einem unbekannten Ort auf Toiletten angewiesen sind, startet typischerweise ein spezielles Paruresis-Kopfkino. Wir fangen dann an, uns die Toilette vorzustellen.

Wie groß sind die Räumlichkeiten? Gibt es Trennwände an den Urinalen? Ist viel los?

Wenig überraschend wird die Toilette in unserer Vorstellung dabei immer schlimmer.

Je länger wir an die Toilette denken, desto größer wird unsere Anspannung. Wenn wir uns schließlich durchringen, auf die Toilette zu gehen, sind wir so unter Strom, dass es mit dem Pinkeln besonders schwierig ist.

Wenn du gleich beim ersten Gedanken daran auf die Toilette gehst, hast du bessere Chancen auf ein Erfolgserlebnis. Außerdem weißt du ab dann, was dich mit Blick auf die Toilette erwartet. Und keine Toilette ist so schlimm, wie man sie sich nach stundenlangem Grübeln ausmalt.

Der nachhaltige Weg zur Besserung

Wie ich eingangs schon geschrieben habe, gibt es mit der kognitiven Verhaltenstherapie eine erprobte Therapieform zur Behandlung von Paruresis. Den grundsätzlichen Ablauf habe ich hier beschrieben: Wie kann ich die Paruresis überwinden?

Ich möchte euch diese nachhaltige Auseinandersetzung mit eurer Angst ans Herz legen. Wenn ihr zunächst ohne einen Therapeuten starten möchtet, kann euch mein Selbsthilfeprogramm durch diesen Prozess führen.

Selbsthilfe mit WeMingo

Mein Selbsthilfeprogramm bietet dir einen einfachen Einstieg in die Auseinandersetzung mit deiner Paruresis. Die Inhalte basieren auf Elementen der kognitiven Verhaltenstherapie und wurden gemeinsam mit Experten der Freien Universität Berlin entwickelt.

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Johannes vor einer öffentlichen Toilette

Die Inhalte auf dieser Seite ersetzen nicht die persönliche Beratung, Untersuchung, Diagnose und Therapie durch einen Therapeuten oder Arzt.

Wenn du dringend Hilfe benötigst, wende dich bitte an die Telefonseelsorge: telefonseelsorge.de bzw. 0800/111 0 111.