Zwei Freunde, die sich etwas erzählen

Geschrieben von Johannes Schirrmeister

Johannes kennt Paruresis aus eigener Betroffenheit. In Zusammenarbeit mit Experten der FU Berlin hat er WeMingo, ein Online-Selbsthilfeprogramm für Menschen mit Paruresis entwickelt.

Paruresis-Outing: Es gibt da etwas, was mir schwerfällt…

In meinen Augen besteht der erste Schritt zur Besserung darin, anderen nahestehenden Personen davon zu erzählen. Doch wenn ich mit anderen Betroffenen gesprochen oder geschrieben habe, stellte sich dies oft als große Hürde heraus. Der Schritt, sich öffentlich zu outen, fällt einem nicht leicht. Ist aber zugleich entscheidend, um Paruresis endlich zu überwinden.

Paruresis jahrelang verheimlicht

Viele hatten das Problem über Jahre vor Freunden oder sogar dem Partner verheimlicht. Das ist für sich allein schon ziemlich schwierig und stressig. Der Grund dafür war immer die Angst, dass man als „Loser“ oder zumindest „ziemlich komisch“ abgestempelt wird. Meiner Erfahrung nach ist diese Angst, wie so oft bei Angststörungen, unbegründet. Stattdessen hat es mir selbst viel geholfen, meinem Umfeld von meinem Problem zu erzählen. Gehen wir doch mal durch, was passieren könnte, wenn du jemandem Folgendes sagst:

„Ich habe da ein Problem, über das ich nicht so leicht reden kann…mir fällt es schwer auf öffentlichen Toiletten zu pinkeln.“

Jedes mal, wenn ich mich in dieser Situation befunden habe, hat mein Gegenüber darauf verständnisvoll reagiert. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass das Zeigen der eigenen Verletzlichkeit immer Hilfsbereitschaft hervorruft. Zudem fühlt sich jede Person wertgeschätzt, der man sich mit einem derart privaten Problem anvertraut. Anstelle von „du Loser“ gibt es also auf einmal eine Person, die dir helfen möchte, und vor der du nichts mehr verheimlichen musst.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus solchen Gesprächen?

Zunächst einmal kann ich in Gegenwart dieser Person nun offener mit dem Problem umgehen. Ich kann ganz direkt und sogar mit Augenzwinkern sagen:

„Ich muss mal auf Toilette, komm‘ bloß nicht auf die Idee mir zu folgen!

Des Weiteren habe ich auch erfahren, dass mein Problem vielleicht nicht so peinlich und komisch ist, wie ich das immer gedacht habe. Ganz im Gegenteil: Viele viele Gesprächspartner wussten oft sofort, was ich meine. Sie haben dann ebenfalls eine unangenehme Situation auf einer öffentlichen Toilette geschildert.

Ich kann also nur dazu raten, sich einmal zu überlegen, was wirklich Schlimmes passieren kann, wenn man das Problem offenbart, und dann konkret zu überlegen, wem man es wann erzählt.

In diesem Sinne: Viel Erfolg und Mut beim Outing!

PS: Ich kann es mir nur schwer vorstellen, aber wenn vielleicht doch jemand negativ auf deine Paruresis-Geschichte reagiert, dann ist das entweder ein Zeichen großer Unsicherheit oder vielleicht ein nicht ganz so toller Freund.

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